Dienstag, 19. Oktober 2010

Jahreszeiten - Gefühlssache

Die Idee für diesen Beitrag kam mir, als ich eines Tages auf einen Begriff namens fuubutsushi stieß, welcher Objekte beschreibt, die Gefühle von Jahreszeiten hervorrufen können. Und solche Objekte gibt es in einem Land, welches sich noch sehr mit den Jahreszeiten verbunden fühlt, reichlich.

Neben den auch hierzulande bekannten Klassikern wie rotes Herbstlaub oder Weihnachtsbeleuchtung, gibt es auch einige japantypische Reize, bei denen der Japaner in Gedanken der dazugehörigen Zeiten verfällt. Viele dieser Dinge werden auch in Geschichten oder Filmen verwendet, um ein besseres Gefühl für die gerade vorherrschende Zeit hervorzurufen. Gehen wir mal einige Dinge anhand von beispielhaften Situationen durch.

Einige der Begriffe im Text wurden übrigens verlinkt. Meistens sind es Videos oder Bilder zur besseren Anschaulichkeit. Sind die Wörter also unterstrichen, kann man draufklicken.

Frühling

Stellt euch einmal einen japanischen Mittel- oder Oberstufenschüler vor, welcher an seinem ersten Tag im neuen Schuljahr zu seiner Schule geht, während überall blassrosa Kirschblüten herabfallen. Wer diese Bild schon einmal in seiner Lieblingsserie gesehen hat, der merkt es sofort: Dort herrscht gerade Frühling!
Kirschblüten und das gemeinsame Essen unter den Bäumen sind der Schlüsselreiz dieser Jahreszeit, und haben sogar ein eigenes Vokabular. Nebenbei gibt es sogar für jeden Monat eine charakteristische Blume, Blüte oder Pflanze. Wer schon einmal das Kartenspiel hanafuda gespielt hat, der weiß, was ich meine.
Ebenso beginnt für die Schüler und Studenten am 1. April ein neues Schuljahr beziehungsweise Semester, und auch für die arbeitende Bevölkerung geht es wieder in ein neues Arbeitsjahr. Der Frühling ist also auch die Zeit des (unbeliebten) Neuanfangs.

Unzertrennlich: Der Japaner und die Kirschblüten im Frühling.

Hina matsuri und kodomo no hi liegen genauso im Frühling, wie die Golden Week.

Sommer

Wenn die Regenzeit endlich vorbei ist, kann man bei schwüler Hitze auf der Terrasse sitzen, während in der Ferne die Zikaden kreischen und im offenen Fenster ein Windspiel klingelt. Abends geht es dann im yukata (Sommerkimono) auf ein kleines, lokales matsuri (Fest) und man schaut sich später am Flussufer noch ein großes Feuerwerk an, während man in eine Wassermelonenscheibe beißt und das dazugehörige „Ahh...! Natsu da ne!“ jauchzt. Zu Deutsch: „Ahh...! Es ist Sommer!“

In Japan knallts nicht zum Neujahr, sondern im Sommer.

Ebenfalls der Sommer: Große Wolken und Mädels im yukata.



Die Windspiele verschaffen mit ihrem klaren Klang ein Gefühl von Frische.

Da es zu dieser Zeit sehr heiß und unangenehm werden kann, haben sich viele Tricks zum Kühlen in den Sommermonaten entwickelt, welche auch zu fuubutsushi geworden sind. Runde oder Faltbare Fächer gehören ebenso zur „Sommerfrische“ (hisho), wie das Versprengen von Wasser (uchimizu) oder (etwas unromantischer) der Ventilator und die Klimaanlage.

Auch eine tolle Erfrischung: kakikoori. Geraspeltes Wassereis mit Sirup.


Das Versprenkeln von Wasser soll durch die Verdunstungswirkung auf dem Boden kühlen. Im Video sieht man das alljährliche uchimizu der Maids in Akihabara. Nebenbei kann man auch kurze Blicke auf die Fächer und die yukata erhaschen.


Herbst

So langsam nähert sich der Herbst mit kühlen Winden und blutrot verwelkenden Ahornblättern, und man kann schon kleine rote Libellen umherschwirren sehen. An Schulen und Universitäten ist man mancherorts mit Sport- oder Kulturfesten beschäftigt und in der Nacht kann man zusammen mit Freunden den großen Herbstmond am Himmel betrachten, während die Grillen im Gras zirpen.

Roter Ahorn: Man sollte im Herbst auf den Berg Takao klettern. Die Herbstfarben sind atemberaubend.

Winter

Während der kalten Jahreszeit kann man besonders in der Vorweihnachtszeit glitzernde und funkelnde Dekorationen an Bäumen und Häusern finden. Wenn es draußen sehr kalt ist, kann man es sich in der Wohnung unter dem kotatsu (Tisch mit Heizung) bequem machen und fernsehen.

Holzpyramide versus Illumination: Vergleichsweise mal die etwas mehr "deutsche" und die "japanische" Dezemberstimmung.

Altes Bild. Beim Deutsch-Gasshuku 2009 hatte ich einen kotatsu im Zimmer. Da es im Raum recht kalt war, kann man der dicken Decke und dem Heizstrahler darunter die Heizarbeit machen lassen. Direkt in der Nähe davon stand übrigens der Fernseher.

Zur Jahreswende strömen viele Menschen zu den Tempeln und Schreinen und beten für ein glückliches Jahr. Die Menschenmassen an den ersten drei Tagen im neuen Jahr sind dann unglaublich groß.

Am Schrein von Warabi ging es noch verhältnismäßig gediegen vonstatten. Jedoch war der Meiji-Schrein im Neujahr 2010 (wie immer) total überlaufen.


Die oben erwähnten fuubutsushi sind bei weitem nicht alles, was man erleben kann! darüber hinaus gibt es noch in der traditionell japanschen haiku-Dichtung bestimmte Begriffe, welche ihre eigene Zuordnung zu bestimmten Jahreszeiten haben. Die Japaner scheinen sich im Laufe der Zeit ein Händchen für solche Dinge entwickelt zu haben.

Mit einem solchen Vokabular kann man sich die Besonderheiten einzelner Jahreszeiten viel besser bewusst machen und lernt diese auch mehr zu schätzen. Man kann sich noch auf die Feuerwerke und Feste im Sommer oder Illuminationen im Winter freuen.
Man stelle sich nur einmal vor, hier würden schon die Lebkuchen im Sommer verkauft werden. Das würde doch die Vorfreude ruinieren, oder?


Soweit von mir.


1 Kommentar:

  1. sehr schöner Bericht! Man fühlt sich richtig rein! Jede Jahreszeit hat seine Besonderheiten! Mir gefällt besonders der Frühling mit den Kirschblüten!

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